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Kunstmuseum Winterthur:

Bonnard – La carafe provençale

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Pierre Bonnard, La carafe provençale (Marthe Bonnard et son chien Ubu), 1915

Kunst Museum Winterthur, Hahnloser/Jaeggli Stiftung

Foto: Reto Pedrini, Zürich

Um 1910 begann Bonnard, seine Bildwelt mit einer Reihe von Alltagsszenen zu bereichern. Wie bei den Aktbildern entstammten auch diese Motive seinem privaten Umfeld, und so ist es denn auch meist seine Geliebte Marthe, die als Figur in diesen Werken auftaucht.

Bonnard sprengte mit diesen Alltagszenen, zu denen auch La carafe provençale gehört, die Gattungsgrenzen, denn weder handelt es sich hier um ein reines Stillleben, noch steht das impressionistische Einfangen einer lichten Atmosphäre im Zentrum – vielmehr von beidem ein bisschen. Der aus der Plakatkunst kommende Künstler, der wie viele seiner Zeitgenossen vom flächigen Stil der japanischen Druckgraphik inspiriert war, übertrug hier seine künstlerische Herkunft in sein unmittelbares Umfeld. So ist das beinahe quadratische Bild ganz graphisch und flach in einzelne Felder eingeteilt, welche die Grundkomposition ausmachen: unten der Tisch, oben die Lebewesen Mensch und Hund und rechts der Stuhl. Auf dem weissen Tischtuch sodann sind die Gegenstände angeordnet, die zwar der Realität entnommen, aber unübersehbar kunstvoll arrangiert sind. Bonnards Kunst ist ein Changieren zwischen Leben und Malerei. Dies ist auch an der Figur und dem Hund festzumachen, denn bei beiden wissen wir, um wen es sich handelt: die Frau des Künstlers, Marthe, und den gemeinsamen Hund Ubu. Doch es geht hier nicht um das individuelle Porträt, wie die anderen Motive sind auch sie Teil der Gesamtkomposition und fügen sich farblich wie formal harmonisch ins Bildgeviert ein.

Marthe, die Lebensgefährtin des Künstlers, litt unter körperlichen und psychischen Problemen, was sie zusehends menschenscheu werden liess und das Zusammenleben nicht immer einfach machte. Der aufgestützte Kopf ist in der klassischen Ikonographie ein Symbol der Melancholie, und es ist nicht auszuschliessen, dass Bonnard ihr dieses Zeichen in diesem Sinne mitgegeben hat. So wurde dem Gemälde trotz seiner hellen Farben eine gewisse Schwermütigkeit nachgesagt. Dass es obendrein mitten im Ersten Weltkrieg entstand und die Abkapselung des Paars auch politisch untermauert wurde, gibt der scheinbar harmlosen und farbigen Szenerie eine unerwartete Ernsthaftigkeit und Schwere mit.