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Kunstmuseum Winterthur:

Wie die Moderne nach Winterthur kam

1911 fand im Stadthaus eine Ausstellung statt, die uns heute einen schönen Einblick gibt, was damals in Winterthur alles gesammelt wurde. Die Schau lief unter dem schlichten Namen Kunstwerke aus Winterthurer Privatbesitz. Weniger bescheiden war der Umfang, denn es wurden fast 300 Werke gezeigt, die man in einer sogenannten Petersburger Hängung dem Publikum präsentierte. Chronologisch am Anfang stand der Winterthurer Anton Graff, ein wichtiger Porträtist der Goethezeit, gegen das Ende hin leuchteten den Besuchenden moderne, farbige Bilder entgegen: das Neueste der zeitgenössischen Malerei aus der Schweiz und aus Paris.

Linck-Bild 2 Hodler 1911

Blick auf die Wand mit Gemälden Ferdinand Hodlers in der Ausstellung im Stadthaus 1911

Foto: Hermann Linck

Es gab eine eindrückliche Hodler-Wand, mit einem Holzfäller, Landschaften und Seestücken. Ebenso waren zehn Gemälde von Giovanni Giacometti zu sehen. Den Höhepunkt bildeten aber die Franzosen: Bonnard, Roussel, Marquet, und nicht weniger als vierzehn Gemälde von Félix Vallotton gab es hier zu bestaunen. Spätestens hier wurde allen Besuchenden klar: In Winterthur weht ein anderer Wind als in den meisten Schweizer Städten.

Ein paar dieser Bilder gehörten Richard Bühler und ein paar weitere seinem Bruder Hermann. Der grösste Teil der modernen französischen Abteilung kam aber aus der Villa Flora und war Teil der Sammlung von Arthur und Hedy Hahnloser. Es wurde hier in der Ausstellung mehr als deutlich, dass die beiden die progressivsten Sammler in der Stadt waren – und auch, dass sie mit ihrem Geschmack und ihren Schwerpunkten die ganze Stadt prägten.

Fast überall in der Schweiz und so auch in Winterthur war man auf nationale, ja regionale Kunst ausgerichtet. Wenn man Ausländer sammelte, so waren es meist deutsche Künstler. Galerien, die Kunst aus anderen Ländern anboten, gab es fast keine.

Hodler - Abendruhe

Ferdinand Hodler, Abendruhe, 1904/1905

Kunst Museum Winterthur

Foto: Jean-Pierre Kuhn, SIK-ISEA, Zürich

Wie heftig die Grabenkämpfe damals waren, zeigt exemplarisch die Kontroverse um einen Ankauf: Als der Kunstverein 1908 ein Werk von Ferdinand Hodler, die Abendruhe, erwarb, gab es einen riesigen Aufschrei. Es wurde nicht nur im Vorstand, sondern im gesamten Kunstverein und auch in der breiten Öffentlichkeit debattiert und gestritten. Es gab Zeitungsartikel und grosse Debatten. Arthur Hahnloser schrieb damals an Ferdinand Hodler: «Was in den letzten zwei Wochen der Vorstand des Kunstvereins wegen des Ankaufs [des Hodler-Gemäldes Die Abendruhe] an Schmähungen über sich ergehen lassen musste, übertrifft alles Dagewesene. Wir waren fast allein gegen die grosse Meute, man hörte nur noch von Skandal, Verschwendung mit dem Geld, Geschmacklosigkeit, Selbstüberhebung des Vorstands.»

Richard Bühler hielt damals ein flammendes Plädoyer für die zeitgenössische, moderne Kunst. Und auch wenn der Hodler letztlich Eingang in die Sammlung hielt, so zeigt der grosse Streit von damals, in was für einem schwierigen Umfeld sich die moderne Malerei damals befand und mit welchen grossen Widerständen sie zu kämpfen hatte. Er zeigt auch, wie aufgeschlossen und mutig wiederum einzelne Mitglieder des Kunstvereins waren – allen voran das Sammlerehepaar Hahnloser der Villa Flora.