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Kunstmuseum Winterthur:

Toulouse-Lautrec – Femme rousse assise sur un divan

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Henri de Toulouse-Lautrec, Femme rousse assise sur un divan (Justine Dieuhl), 1897

Kunst Museum Winterthur, Hahnloser/Jaeggli Stiftung

Foto: Reto Pedrini, Zürich

Henri de Toulouse-Lautrec war ein genauer Beobachter seines Umfelds, das er in seiner Kunst mit beinahe fotografischem Blick festhielt. Die Welt der Cabarets, der Ballsäle, der Bordelle und Zirkusse sowie die Strassen von Paris boten ihm Stoff für seine Werke – ein Œuvre, das Gemälde, Zeichnungen, Lithographien, Pastelle, Illustrationen und Plakate umfasst. Der Franzose adeliger Herkunft, aber als Kleinwüchsiger zeitlebens ein Aussenseiter, gab nicht viel auf die Landschaftsmalerei und die frische Landluft. Er lebte in der Vergnügungs- und Schattenwelt von Paris, die er beide vorurteilslos und ohne moralischen Zeigefinger festhielt.

Arthur und Hedy Hahnloser waren durch Illustrationen in Zeitschriften und durch ihre Künstlerfreunde Bonnard und Vuillard auf Toulouse-Lautrec aufmerksam geworden. Beide schätzten sein Werk sehr, und alle drei Künstler teilten eine Vorliebe für japanische Druckgraphik, deren flächigen Stil sie auf jeweils eigene Art interpretierten.

Es war Toulouse-Lautrec, der Bonnard erstmals aufsuchte, weil ihm dessen Plakat für France-Champagne so gut gefallen hatte. Aus dieser ersten Begegnung entstand eine lebenslange Freundschaft. Vermittler für das Winterthurer Sammlerpaar waren aber vor allem Maillol und Vallotton. Sie suchten in deren Auftrag nach Bildern und Graphiken von Toulouse-Lautrec, was nicht immer ganz einfach war. Insbesondere Gemälde waren schwer zu bekommen: Während erste Druckgraphiken bereits 1908 Eingang in die Hahnloser-Sammlung fanden, dauerte es noch zwölf Jahre, bis sie ein Ölbild erwerben konnten.

Von den meisten Frauen, die Toulouse-Lautrec malte – professionelle Modelle oder Prostituierte –, kennen wir nur den Vornamen. Zwar wissen wir bei der hier abgebildeten rothaarigen Frau auch den Nachnamen, jedoch keine weiteren Details über ihr Leben. Justine Dieuhl scheint aber eine gewisse Verbindung mit dem Künstler gehabt zu haben, denn sie gehört zu den wenigen Modellen, die er auch direkt von vorne, also mit psychologischem Interesse am Individuum, porträtierte.

Im Hahnloser-Bild indes wird sie anonym von hinten gezeigt, im Begriff, ihre schwarzen Strümpfe an- oder auszuziehen. Hier ist ein intimer Moment wiedergegeben, sozusagen ein Schnappschuss hinter den Kulissen, einfühlend und erotisch, zärtlich und voyeuristisch zugleich. Das echte Leben eben.