Logo Kunstmuseum Winterthur

Kunstmuseum Winterthur:

Vallotton – La Blanche et la Noire

La_Blanche_et_la_Noire_-_Félix_Vallotton_-_1913

Félix Vallotton, La Blanche et la Noire, 1913

Kunst Museum Winterthur, Hahnloser/Jaeggli Stiftung

Foto: Reto Pedrini, Zürich

Dieses monumentale Gemälde gehört zu den Hauptwerken in Vallottons Schaffen und ist eines seiner vielschichtigsten, ja rätselhaftesten. Es gehört in eine Gruppe von vier grossformatigen Arbeiten, mit denen das Sammlerpaar Hahnloser sein Bekenntnis zu der damals auch unter offenen Kunstfreunden als schwierig empfundenen Malerei Vallottons unter Beweis stellte.

Edouard_Manet_-_Olympia_-_Google_Art_Project_2

Édouard Manet, Olympia, 1863

Musée d'Orsay, Paris

Es gibt ein klares Vorbild, das diesem Gemälde Pate stand und auf das sich Vallotton auch explizit bezog: die Olympia von Édouard Manet von 1863, das heute im Musée d’Orsay in Paris hängt. Auch dort findet sich eine nackte weisse Frau, in einer ähnlichen Pose auf einem mit weissem Laken überzogenen Bett liegend, an dessen Ende sich eine schwarze Frau befindet. Bei Manet ist die Schwarze eine Dienerin, die den Blumenstrauss eines Verehrers überreicht, denn – das wussten alle damals – bei der Olympia handelt es sich um eine Prostituierte.

Natürlich war das ein Skandal, eine Dame der Halbwelt in einem so grossen Gemälde darzustellen, und dies in einer Pose, die auf eine lange, ehrwürdige Tradition zurückgeht. Manet – und mit ihm auch Vallotton – griff hier nämlich auf die berühmten Gemälde von Giorgione und Tizian zurück, deren Akte aber edle Göttinnen zeigten. So, wie auch antike Skulpturen häufig unbekleidet waren, durfte man die Nacktheit nur auf die Darstellung der realen Welt enthobener Frauen anwenden. Entsprechend gibt es auf diesen Bildern auch nie Schamhaare – anders als bei Vallotton.

Was Vallotton überdies veränderte, war die Rolle der schwarzen Frau. Zwar ist durchaus denkbar, dass auch sie eine Dienerin darstellt, aber ihre selbstbewusste Pose und ihre Position auf statt hinter dem Bett sprechen eine andere Sprache. Darüber hinaus ist sie im Gegensatz zur Liegenden bekleidet und – ein entscheidendes Detail – sie raucht. Zigaretten waren damals Mode in der coolen Pariser Society, und entsprechend selbstsicher sitzt diese Frau denn auch am Bettrand.

Félix_Vallotton,_1911_-_Femme_noire_assise_de_face

Félix Vallotton, Femme noire assise de face, 1911

Privatbesitz

Vallotton hatte sich seit 1905 vermehrt dem Akt als Thema zugewandt und dabei auch einige Bildnisse von schwarzen Frauen geschaffen. Das Modell, mit dem er für La Blanche et la Noire zusammenarbeitete, taucht in mehreren Gemälden auf – doch in keinem in einer so spannungsgeladenen Konstellation wie dort. Ihr Blick geht zur unbekleideten Frau, wobei nicht klar ist, ob diese schläft oder unter ihren Augenlider den Blick ihres Gegenübers erwidert. Die Beziehung der beiden bleibt im Unklaren, und man darf gerne darüber spekulieren, wie die zwei zusammengehören. Die geröteten Wangen der Liegenden mögen dabei einen Hinweis geben, doch bleibt es letztlich den Betrachtenden überlassen, in welche Richtung sie die Szene interpretieren wollen.