Ursprünglich war dieser Gebäudeteil, in dem sich heute die Bibliothek befindet, nur über einen Korridor mit dem ursprünglichen Wohnhaus verbunden. Als das frisch vermählte Ehepaar Hahnloser hier einzog, richtete es in diesem und dem oberen Geschoss die Augenklinik ein, die Arthur Hahnloser betrieb. Die junge Hedy Hahnloser, die beim Einzug noch ihre Ausbildung zur Malerin absolvierte, half in der Klinik tatkräftig mit – obwohl sie am Anfang kein Blut sehen konnte.
Als die Klinik 1907 in das neu eröffnete Privatkrankenhaus «Am Lindberg» verlegt werden konnte, war es für die Hahnlosers eine grosse Erleichterung, die kräftezehrende Arbeit von ihrem Zuhause besser getrennt zu haben. Der Raum aber blieb ein Ort des Anpackens und des Schaffens: Hedy richtete sich hier eine Werkstatt ein, in der sie ihre kunsthandwerklichen Ideen umsetzen konnte. Zusammen mit ihrem Cousin, Richard Bühler, entfaltete sie hier eine rege gestalterische Tätigkeit, in der sie sich mit den neuesten Tendenzen von Kunsthandwerk, Design und Raumgestaltung auseinandersetzte.
Nachdem die Hahnlosers 1908 den ehemaligen Korridor zum Salon umgebaut hatten, waren die beiden Gebäudeteile nun wohnlich miteinander verbunden. Nach und nach wurden weitere Räume umgestaltet, darunter dieses Zimmer, das heute noch Bibliothek genannt wird. Vielleicht vermissen Sie die für Bibliotheken typischen offenen Regale? Bei den Hahnlosers wurden die Bücher in Schränken aufbewahrt.
Gestaltet wurde der Raum, wie die meisten der Villa Flora, von ihrem Freund Robert Rittmeyer. Hedy Hahnloser kreierte die Entwürfe für die Tapeten und die Lampe in engem Austausch stets auch mit ihrem Cousin und Freund Richard Bühler. Die geometrischen Formen und rechten Winkel zeugen von einer modernen Auffassung von Design: keine Schnörkel, keine falsche Üppigkeit und gespielte Imitation älterer Stile, wie es damals in der Schweiz noch üblich war. Diagonalen und Quadrate, gerade Linien und schlichte Formen prägen das Mobiliar, das in einen schönen Dialog mit den Mustern der Tapeten tritt.
Das Ehepaar Hahnloser besass eine umfangreiche Sammlung an Literatur mit einem Schwerpunkt – wen wundert’s? – auf Kunstbücher. Hedy und Arthur lasen gerne französische Romane, besassen Gesamtausgaben von Flaubert und Balzac und waren Abonnenten der Zeitschriften Das Werk und der Revue blanche, die zu den führenden Sprachrohren für zeitgenössisches Design und postimpressionistische Kunst gehörten.
NICE TO KNOW
Hedy Hahnloser war selbst schriftstellerisch aktiv. Sie verfasste zahlreiche Beiträge über Kunst und Malerei, die in Zeitschriften und Tageszeitungen veröffentlicht wurden. Sie hielt Vorträge, publizierte in Fachorganen und verfasste das Werkverzeichnis ihres guten Freundes Félix Vallotton.