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Kunstmuseum Winterthur:

Grusswort der Architektin Anna Jessen

Anlässlich der Eröffnung der Villa Flora erläuterte die Architektin Anna Jessen von Jessenvollenweider ihre Gedanken zum Umbau

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Anna Jessen

Foto: © Nina Mann

Liebe Besucher:innen der Villa Flora

Im März 2024 konnten wir ein langjähriges Projekt abschliessen und die sanierte und mit dem Gartenpavillon erweiterte Villa Flora wurde einem neuen Lebensabschnitt übergeben – als fester Bestandteil des Kunst Museum Winterthur.

Die Villa Flora hat schon einige solche Momente erlebt. Als Ensemble aus Haus, Ökonomiegebäude, Garten, diverser Um- und Anbauten ist sie seit 1846 als Organismus immer weitergebaut und verschiedensten Nutzungen, Bedürfnissen und Interessen angepasst worden. In einem modernen und zeitgemässen Verständnis ist sie so, gestern wie heute, ein vorbildlich nachhaltiger Bau – im ökonomischen, ökologischen, vor allem aber auch im kulturellen Sinn. Die Villa Flora steht an ihrem Ort hier in Winterthur als Zeitzeugin einer kulturellen Kontinuität.

Selbst bin ich nicht dabei gewesen, aber mit einem Augenarzt verheiratet, muss Hedy Hahnloser ein sehr feines Auge und Gespür gehabt haben für Dinge, die zusammenpassen – seien es Menschen, seien es noch unbekannte Bilder, Blumen auf dem Tisch oder passende, neuartig gestaltete Tischdecken und Tapeten im Raum. Und: Sie hatte den Mut und die Fähigkeit sehr früh zu sehen, was der Zeitgeist in Zukunft sein wird.

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Die frisch renovierte Villa Flora 2023.

Foto: © Georg Aerni

2013 wurde von der Stadt Winterthur, in deren Hände die Flora übergeben worden war, der Wettbewerb zur Sanierung und Erweiterung des Hauses ausgeschrieben. Es war das erklärte Ziel, bei einem maximal behutsamen Umgang mit dem Bestand, das eigentliche Wohnhaus in ein zeitgemässes Museum zu überführen, das allen heutigen Anforderungen an Barrierefreiheit, Sicherheitstechnik und Klimabedingungen gerecht werden würde: Aus dem privaten Raum sollte eine öffentliche Institution werden.

Das Projekt bindet an die alte, künftig nicht mehr notwendige Küche einen Gartenpavillon an und schafft eine neue Einganssequenz mit Kasse, Shop, Garderobe und kleinem Versammlungsraum, die mit neuem Lift direkt an die historische Treppenanlage angeschlossen ist. Der Hauptraum des feingliedrigen Pavillons ist als Gartenhalle ein neuer Ort des Treffens und des Austausches und ein zeitgemässes Pendant zum historischen Gesellschaftsraum von Robert Rittmeyer.

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Henri Manguin, La Villa Flora, 1912

Kunst Museum Winterthur, Hahnloser/Jaeggli Stiftung

Foto: Reto Pedrini, Zürich

Für die Haltung und Idee des Anbaus war das Bild Henri Manguins von 1912, in dem vor der Gartenfassade der Villa Flora eine einfache, blaue Pergola zu sehen ist, Inspiration und Referenz. So ist auch unsere verglaste Pergola durchgehend in Holz konstruiert und in zwei Farben gestrichen: ein dunkles Blaugrün, das die Farbe der Fenster und Fensterläden des Altbaus aufnimmt und ein gebrochenes Weiss, das den Pavillon mit den Wandflächen des bestehenden Baukörpers verbindet – in gewisser Weise eine durchaus malerische Strategie der Differenz und Verbindung. Der Pavillon schliesst den Garten zur Strasse ab und bildet dabei eine neue Eingangssituation aus, nicht mehr von der lauten Strasse, sondern als Einstimmung auf eine stille Sammlung von der intimeren Gartenseite. Er fasst den Garten dadurch gleichzeitig als grünes Zimmer, das den inneren Parcours des Hauses nach aussen erweitert.

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Blick in die neu eingerichtete Villa Flora

Die einzelnen Räume im bestehenden Haus werden zu thematisch differenzierten Raumgruppen und farblich und gestalterisch zu verschiedenen Rundgängen zusammengefasst. Ohne dass es als Wohnhaus künftig noch bewohnt wird, möchte es doch das authentische Leben, das hier einmal stattgefunden hat, wachhalten, ohne es zu musealisieren. Es möchte diesen Geist in ein Heute übersetzen und als solches wie früher Ort und Raum sein für die Bilder, die mit dem Haus direkt verbunden sind, aber auch offen und neugierig bleiben für neue Richtungen und Wege, die sich in der zeitgenössischen Kunst abzeichnen.

Es gibt neu weisse Räume für die Wechselausstellungen, aber wir haben auch alte Tapeten neu drucken lassen, insbesondere Tapetenentwürfe Albin Müller und von Hedy Hahnloser selbst, wie jenes markante Blattwerk im neu-alten Treppenhaus – eine kleine, architektonische Freude haben wir an der neuen Tapete für das Gartenzimmer, die Stoffmotive einer alten Gardine von Hedy Hahnloser aufnimmt, neu konfiguriert und so still an diese erinnert.

Zwölf Jahre nach Ausschreibung des Wettbewerbs ist das imaginierte Projekt in Zusammenarbeitet mit einem wundervollen Team von Planer:innen, Vertreter:innen der öffentlichen Hand, Freund:innen der Villa Flora und dem grossen Engagement des Kunstmuseums Winterthur selbst nun real geworden und wird so einen markant neuen Abschnitt bilden in der Geschichte der Villa Flora, die aber sicher noch viele weitere Epochen erleben wird.

Gez.

Anna Jessen

14. März 2024